Archiv des Stadt- und Industriemuseums Guben

Die Kleene auf der Salzmarktstraße

Man sieht in Guben kaum Menschen auf der Straße" "Die Kleene auf der Salzmarktstraße": Schauspielerin Rita Buts hat ihre Kindheitserinnerungen an die Neißestadt aufgeschrieben

Artikel aus der Lausitzer Rundschau vom 20. April 2012

Andreas Peter (stehend) mit Rita Buts im Stadt- und Industriemuseum
Publikum bei der Lesung am 14. April 2012

Am 17. Januar ist im Niederlausitzer Verlag das Erstlingswerk von Rita Buts "Die Kleene aus der Salzmarktstraße. Gubener Erinnerungen 1926-1945" erschienen. Auf 280 Seiten beschreibt die 85-jährige Augsburgerin ihre Erinnerungen auf eine in mehrfacher Hinsicht bewegte Zeit. Offen und ungeschminkt schildert sie anschaulich ihre Kindheit und Jugend in der Neißestadt mit all den täglichen Sorgen und kleinen Freuden einer einfachen Familie. Die RUNDSCHAU sprach mit der Autorin.

Rita Buts während ihrer Buchlesung in Guben. Foto: Ute Richter/utr1

Frau Buts, wo haben Sie früher gelebt und waren Sie mal wieder dort?
Ich bin in der Salzmarktstraße im heutigen Gubin (damals Guben) geboren. In dem Haus war auch das Hausschuhgeschäft Plens. Groß geworden bin ich in der Königsstraße 55/Ecke Schulstraße. Fünfmal war ich schon zu Zeiten der DDR dort. Nach der Wende viermal. Doch unser Haus stand da schon nicht mehr.

Was haben Sie in Ihrer Kindheit und Jugend gemacht, wovon haben Sie gelebt?
Meine Mutter war blind, mein Vater Gelegenheitsarbeiter. Als Zehnjährige habe ich angefangen zu arbeiten. Jeden Job, den man kriegen konnte, hat man damals gemacht. Irgendwann suchte man dann im Gubener Theater Komparsen. Da ging ich hin und so nahm meine Karriere als Schauspielerin ihren Anfang.

Warum haben Sie Guben verlassen und wie war Ihre Zeit danach?
Im Februar 1945 mussten wir laut Ausweisungsbefehl Guben verlassen. Damals war ich 17 Jahre alt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir mit zwei Koffern loszogen. Gelandet sind wir dann in Hamburg. Die erste Zeit dort war die schwerste in meinem Leben. Alles war zerstört, und es gab glaube ich kein Haus, in dem ich in Hamburg damals nicht wohnte. Man musste sehen, wo man die Nacht unterkam.

Wie erging es Ihnen dann?
In Hamburg habe ich 40 Jahre gelebt und gearbeitet. Das Theater gab mir Halt, vor allem als ich mit dem Ensemble auf Tournee gehen konnte. Es gab ja nichts zu essen und zu trinken, doch wir als Schauspieler wurden versorgt. Später ging ich mit meinem Mann nach Augsburg, wo ich ebenfalls am Theater arbeitete und heute manchmal noch zum Einsatz komme oder Sprechtrainings gebe.

Warum haben Sie das Buch gerade jetzt geschrieben?
Das war eher Zufall. Andreas Peter rief mich an und fragte, ob er Veröffentlichungen von mir für ein Buch verwenden könne. Da kam ich auf die Idee, meine Erinnerungen an meine Zeit in Guben in einem eigenen Buch festzuhalten. Und dann schrieb ich los. Ein Jahr lang gingen die Aufzeichnungen zwischen Guben und Augsburg hin und her, bevor alles zum Druck fertig war. Andreas Peter und ich waren uns in dieser Zeit sehr nahe, denn auch regelmäßige Telefonate waren vonnöten. Ihn beeindruckten wohl mein offenes Umgehen mit meiner Familiengeschichte und mein Erinnerungsvermögen.

Wie haben Sie sich Ihre Erinnerungen bewahrt?
Es wundert mich heute, dass es mir so leicht fiel, das alles hintereinander weg aufzuschreiben. Es liegt wohl an meinem fotografischen Gedächtnis und deshalb war es nicht so schwierig, die Erinnerungen wieder auszugraben. Ich habe alles chronologisch durchdacht und los ging es. Dass ich die Fotos damals bei der Flucht mitgenommen habe, das wundert mich heute noch, denn das waren ja Dinge, die gar nicht wichtig waren. Jetzt bin ich sehr froh darüber.

Wird es denn eine Fortsetzung des Buches geben?
Ja, viele haben schon danach gefragt. Angeblich wollen die Leser wissen, wie es weiterging mit mir und meiner Familie. Ich habe damals gleich zu Andreas Peter gesagt: "Schreib drunter: Fortsetzung folgt!". Aber das wollte er nicht. Jetzt aber werden wir gemeinsam ein zweites Buch in Angriff nehmen.

Wie war es für Sie, Ihr Buch persönlich in Guben vorzustellen, und wie haben Sie Guben erlebt?
Es war schon spannend, gerade in meiner Geburtsstadt das Buch zu lesen. Es hat mich gefreut, dass fast 30 Zuhörer zur Lesung kamen, und es hat großen Spaß gemacht, zumal auch Leute da waren, die ich kannte und welche, die ähnliche Geschichten zu erzählen hatten. Zu Guben will ich sagen, dass die Altstadt schön hergerichtet wurde und trotzdem auf mich sehr trostlos wirkt. Man sieht kaum Menschen auf der Straße und auch rund um Guben gibt es wirklich viele Brachen. Das hat mich etwas traurig gemacht. Aber ich werde gern wiederkommen.

Mit Rita Buts

sprach Ute Richter

Zum Thema:
Rita Buts, geb. Schuldt, blickt zurück auf einen von Hunger, Krankheit und Wohnungsnot geprägten Alltag. So führt sie die auch Guben erschütternde Weltwirtschaftskrise mit ihren Auswirkungen für die Menschen sowie den aufkommenden Nationalsozialismus eindringlich vor Augen. Dabei werden Spielräume menschlichen Handelns offenbar, die aus heutiger Sicht verwundern mögen. Mit zunehmendem Alter wird ihr die Kleinstadt zu eng. Ihre große Hoffnung sieht sie im Gubener Theater. Sie möchte unbedingt Tänzerin werden und setzt ihre ganze jugendliche Energie daran, sich diesen Traum zu erfüllen. utr1

 

 

 

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